Wycliffe

Wycliffe
Wycliffe
 
['wɪklɪf], Wỵclif, Wịclif, John, englischer Theologe und Kirchenreformer, * in Yorkshire vor 1330, ✝ Lutterworth (bei Leicester) 31. 12. 1384; war Professor der Theologie in Oxford und schließlich Pfarrer in Lutterworth. Seit den 1370er-Jahren auch Berater des Königshauses, erwarb sich Wycliffe besonders das Vertrauen von John of Gaunt, Herzog von Lancaster, der ihn protegierte, und nahm 1374 als königlicher Gesandter in Brügge am Friedenskongress mit Frankreich teil (hier wurden auch kirchliche Missstände verhandelt). Seinen Widerspruch erregte zunächst der politische Anspruch des Papsttums und besonders das avignonesische Finanzsystem; daraus ergaben sich für ihn theologische Folgerungen. Rechtlichkeit war ihm das einzig zureichende Argument für Herrschaft und Eigentum. Dem Klerus sei die urchristliche Armut angemessen, darum könne der Staat dessen Eigentum an sich nehmen (ähnliche Gedanken finden sich schon bei Marsilius von Padua). So verteidigte Wycliffe 1366 die Verweigerung des päpstlichen Lehnszinses, 1369 die Besteuerung der Kirchengüter durch die Krone. Scharfe Angriffe richtete Wycliffe gegen die Verderbnis des Klerus, den Besitz und die weltliche Herrschaft der Kirche und ihre kuriale Finanzpolitik sowie gegen die Klöster. 1377 verurteilte Gregor XI. einige Thesen seines Werkes »De civili dominio« (1376; deutsch »Über die weltliche Herrschaft«). Maßnahmen gegen ihn wurden jedoch in England nicht ergriffen. Seit 1378 zog Wycliffe, bisher vom nationalen Gedanken bestimmt, immer stärker theologische Konsequenzen. Aufgrund der alleinigen Autorität der Heiligen Schrift verwarf er die Oberherrschaft des Papstes, den Zölibat, die Transsubstantiation, die priesterliche Schlüsselgewalt, die Notwendigkeit der Ohrenbeichte, das Mönchtum u. a. Die Kirche war ihm die unsichtbare Gemeinschaft der zur Seligkeit Prädestinierten. Der Ausbruch des Abendländischen Schisma ließ ihn an der Rechtmäßigkeit des Papsttums überhaupt zweifeln: Der Papst erschien ihm als der Antichrist.
 
In der Folge initiierte Wycliffe die erste vollständige Bibelübersetzung ins Englische (das Neue Testament erschien 1383) und verbreiteten Wanderprediger (Lollarden) seine Anschauungen im Volk. Nach dem Bauernaufstand von 1381, für den Wycliffes Gegner seine Lehre mitverantwortlich machten, erklärte 1382 eine Synode in Oxford einige Artikel seiner Lehre für häretisch. Wycliffe wurde auf seine Pfarrei Lutterworth verwiesen, jedoch aus Furcht vor Hof, Volk und Unterhaus nicht persönlich verurteilt oder exkommuniziert. Erst das Konstanzer Konzil erklärte ihn 1415 zum Ketzer und ordnete 1418 die Verbrennung seiner Gebeine an. Mithilfe der weltlichen Gewalt gelang es dem Klerus, die Anhänger Wycliffes nach 1400 in England auszurotten. Seine Lehre hatte aber zu dieser Zeit schon in Böhmen Anklang gefunden, vermittelt durch in England studierende Böhmen, die hier die Gedanken Wycliffes kennen gelernt hatten. J. Hus erkannte in ihm seinen Vorläufer. Ein direkter Vorläufer der Reformation war Wycliffe dagegen nicht, wenn sich auch manche Forderungen Wycliffes, vermittelt v. a. durch Hus und Hieronymus von Prag, stark verbreiteten und auch bei Reformatoren wiederfanden.
 
Ausgaben: Select English works, herausgegeben von T. Arnold, 3 Bände (1869-71); The English works, herausgegeben von F. D. Matthew (1880, Nachdruck 1978); Latin works, herausgegeben von R. Buddensieg, 36 Teile (1883-1922, Nachdruck 1966); Select English writings, herausgegeben von H. E. Winn (1929, Nachdruck 1976).
 
Bibelausgabe: The Holy Bible, herausgegeben von J. Forshall u. a., 4 Bände (1850, Nachdruck 1982).
 
 
W. W. Shirley: A catalogue of the original works of J. W. (Oxford 1865, 1924 ergänzt v. J. Loserth);
 R. L. Poole: W. and movements for reform (New York 1889, Nachdr. ebd. 1978);
 S. L. Fristedt: W. Bible, 3 Tle. (Stockholm 1953-73);
 L. J. Daly: The political theory of J. Wyclif (Chicago, Ill., 1962);
 J. Stacey: J. Wyclif and reform (Philadelphia, Pa., 1964, Nachdr. New York 1983);
 K. B. MacFarlane: J. W. and the beginnings of English nonconformity (Neuausg. London 1972);
 
The W. Bible encyclopedia, hg. v. C. F. Pfeiffer, 2 Bde. (Chicago, Ill., 1975);
 A. Kenny: Wyclif (Oxford 1985, Nachdr. ebd. 1987);
 
Wycliff in his time, hg. v. A. Kenny (ebd. 1986).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Ketzer im Mittelalter: Der eine Glaube?
 
Konzilien des 15. Jahrhunderts: Um die Einheit der Kirche
 
Wycliffe und Hus: Vorboten der Reformation
 

Universal-Lexikon. 2012.

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